Erklärung der EXTRA-Boykottierenden

Heute abend wurde nach langen Diskussionen auf dem Treffen der EXTRA-Boykottierenden folgende Erklärung verabschiedet mit der ein weiteres Mal die Ablehnung von Studiengebühren deutlich gemacht wurde:

Für einen progressiven Wandel in Bildung und Gesellschaft!

Für eine gebührenfreie Bildung!

Wir sind Studierende der Universität Hamburg, die Studiengebühren grundsätzlich ablehnen und sie daher fortgesetzt boykottieren. Gemeinsam geben wir die folgende Erklärung ab:

Wider den marktorientierten Wandel! Für die Emanzipation!

Mit Einführung der Studiengebühren soll von ihren BefürworterInnen die neoliberale Neuausrichtung der Bildung auf der Ebene der Hochschulen durchgesetzt werden. Wissenschaftliche Bildung wird so zur Ware, jeder Anspruch auf Entfaltung der Persönlichkeit, jede Herausbildung kritischer Urteilsfähigkeit soll verhindert werden. Ein Studium dient nach diesem „Bildungsverständnis“ allein der Herstellung gewinnbringend verwertbarer Akademiker. Die Durchsetzung dieser reinen Marktorientierung würde jeden kritischen Gesellschaftsbezug aus der Wissenschaft tilgen. Das Ergebnis wäre damit eine erhebliche Senkung des wissenschaftlichen Niveaus. Die Einführung der Studiengebühren richtet sich gegen das Erfordernis und die Möglichkeit, tendenziell allen Menschen Bildung auf höchstem Niveau zu ermöglichen. Stattdessen steigern die Studiengebühren die undemokratische soziale Selektivität des Bildungswesens.

Die Gebühren sind politisch gescheitert!

Der Erfolg des Boykotts als Höhepunkt jahrelanger Proteste und Aufklärung gegen die Studiengebühren ist, dass die beabsichtigte neoliberale Umdeutung der Bildung und Wissenschaft nicht greift. Die Studierenden werden nicht unkritischer, sondern leisten Widerstand: für das aktuelle Semester konnte die massenhafte Befreiung von den Gebühren (11.000 Studierende plus 1.200 laufende Anträge) erkämpft werden, wurde in großer Zahl solidarisch boykottiert (4.600 Studierende), haben weitere 6.000 Kommilitonen zunächst nicht gezahlt. Das Ergebnis: Zum Zahltag hatten keine 16.000 der knapp 39.000 Studierenden der Universität Hamburg ihre Gebühren überwiesen. Demnach sind dies keine „allgemeinen“, sondern „Minderheitsgebühren“!
Die große Mehrheit der Studierenden steht den Gebühren kritisch gegenüber. 2005 stimmten in der mit 13.000 Studierenden beteiligungsreichsten Urabstimmung in der Geschichte der Universität Hamburg 95% für die Gebührenfreiheit. In der bundesweiten Studie „Gebührenkompass.de“ lehnten im Jahr 2007 mit 75% überdurchschnittlich viele Hamburger Uni-Studierende das Bezahlstudium grundsätzlich ab (bundesweit 60%). In der Gesamtbevölkerung ein ebenso eindeutiges Bild: Laut „Politbarometer“ lehnen 83% der Befragten generelle Studiengebühren ab (2005). Die Studiengebühren sind politisch gescheitert – sie erzielen nicht die beabsichtigte Wirkung und finden weder bei den Studierenden noch in der Bevölkerung Akzeptanz.

Exmatrikulation der Kritik?

Der Hamburger CDU-Senat und sein „Wissenschaftsmanager“ Dräger stemmen sich brachial gegen diese Tatsache. Entgegen der eigens geschaffenen gesetzlichen Grundlage haben sie die Hochschulen erneut angewiesen, alle zahlungssäumigen Studierenden im laufenden Semester zu exmatrikulieren. Die treu konservative Universitätspräsidentin Monika Auweter-Kurtz hat aktuell die Universitätsverwaltung veranlasst, nun 3.500 Studierenden schriftlich die Exmatrikulation anzudrohen, sollten sie nicht innerhalb von zwei Wochen zahlen. Diese Maßnahme ist politisch falsch, juristisch unrechtmäßig und umgehend rückgängig zu machen! Wir fordern die Universitätspräsidentin zum sofortigen Rücktritt auf! Auch für die Präsidentin gelten die Maßstäbe des Leitbildes der Universität („Ort lebenslangen Lernens für alle Menschen“, „demokratische Beteiligung“, „Willen zur Konfliktlösung“) und die wiederholt bekräftigten gebührenablehnenden Beschlüsse des Akademischen Senats. Wer stattdessen die Studierenden bekämpft, kann nicht Präsidentin der Universität sein.
(Hochschulfeind Dräger ist ohnehin überfällig.)
Die Steigerung der Zahl der mit einer solchen Exmatrikulationsdrohung angeschriebenen 1.939 Studierenden im letzten Semester auf nun 3.500 Personen verdeutlicht neu (erneut?): Kein Darlehensmodell und kein noch so umfangreicher Befreiungskatalog kann verhindern, dass Studiengebühren sozial selektiv wirken. Sie verstoßen damit offenkundig gegen das Grundgesetz, den UN-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (*s.u.) sowie gegen das ursprünglich gebührenermöglichende Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

  • Wir fordern die sofortige Rücknahme aller Exmatrikulationsandrohungen und die umgehende und rückwirkende Abschaffung der Studiengebühren!
  • Bildung muss für alle – ob in Kita, Schule, Hochschule oder Erwachsenenbildung – gebührenfrei sein!
  • Die Gebührenfreiheit der Bildung ist für uns wesentlicher Schritt für die Durchsetzung ihrer emanzipatorischen Orientierung. Bildung muss „auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken.“ (*s.o.) Sie muss allen Menschen jederzeit ermöglichen, in kritischer Erkenntnis der Welt solidarisch die gemeinsamen Lebensbedingungen zu verbessern.

Wir führen unseren solidarischen Kampf fort!

Die Erklärung kann hier als PDF heruntergeladen werden: pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert