Erziehung – Ästhetik – Antifaschismus

Der FSR Erziehungswissenschaft & die kritischen Lehramtsstudierenden laden ein:
Veranstaltungsreihe zur Kritik an dem Film „Die Feuerzangenbowle”. Zum Weihnachtsritual gehört an diversen deutschen Hochschulen die zum Event stilisierte Vorführung des Films „Die Feuerzangenbowle“. Dieser Kult um den NS-Film aus der Zeit (1943) des „Totalen Kriegs“ und des nach der Wannsee-Konferenz verschärft verfolgten Holocaust ist mindestens gedankenlos. Bei näherer Hinsicht strotzt der Film nur so von faschistischer Propaganda: Kriegsverherrlichung, völkische Geschichtsklitterung, Verhöhnung reformpädagogischer und demokratischer Haltungen, Idealisierung autoritärer Erziehung und Durchhaltebotschaften an die Heimatfront.
Dies gewinnt zusätzlich an Brisanz, da die immer völkischer werdende AfD einen Kulturkampf von rechts führt und inzwischen bei Wahlumfragen bundesweit konstant Zustimmungswerte von über 20 Prozent hat. Als Ursache der gegenwärtigen Krise und sozialen Demütigungserfahrungen diffamiert sie soziale, demokratische und humanistische Errungenschaften als Pervertierung einer „natürlichen Ordnung“, die – statt sie auszubauen – beseitigt gehörten. Dagegen sind ein egalitäres Menschenbild und emanzipatorische Kultur auch für die Durchsetzung materieller Verbesserungen umso nachdrücklicher zur Geltung zu bringen.
Den Fachschaftsräten Erziehungswissenschaft und Lehramt sowie anderen Aktiven an der Uni Hamburg ist in den vergangenen Jahren eine wirksame Aufklärungskampagne gelungen. Unter anderem durch die Ausstellung und Broschüre „Eine Feuerzangenbowle hat es in sich“ ist der problematische historische Kontext und Inhalt des Films weithin bekannt. Mit sozial-kritischen Filmveranstaltungen von FSRen, Hochschulgruppen und insbesondere dem mitgliedergruppenübergreifend organisierten Filmseminar gegen Austerität ist eine wirksame aufklärerische Kino-Praxis hervorgebracht.
Diese Errungenschaften aufgreifend wollen wir weiter für die Überwindung der Verharmlosung von Nazi-Kultur als unterhaltsames Event arbeiten. So kann exemplarisch eine erweiterte Kritikfähigkeit gegen reaktionäre Irrationalität und neu souveränes Selbstbewusstsein für eine kämpferische egalitäre Haltung gebildet werden. Daraus können auch Ableitungen für die progressive Weiterentwicklung pädagogischer Praxis getroffen werden, die Nonkonformität begrüßt und befördert.

Dienstag, 12. Dezember, 18 Uhr, Raum 05, VMP 8:
„Das Fliegende Klassenzimmer”
Filmabend mit Einführung von Prof. Hans-Martin Gutmann

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Jugendbuch von Erich Kästner aus dem Jahr 1933, dem Zeitpunkt, als die Nazis in Deutschland an die Macht gelangen. Die Figuren, ihre Handlungen und ihre Bezugnahme zueinander schaffen ein menschenfreundliches Gegenbild zur reaktionären Misanthropie der Faschisten. Die Mittelstufen-Schüler eines kleinstädtischen Internats ringen mit den Widrigkeiten für Jugendliche in der krisenhaften Weimarer Republik – Johnny ist elternlos, Martin lebt in Armut, der schmächtige Uli will nicht als feige gelten, der kräftige Matz nicht als tumb. Die positiven Erwachsenenfiguren treten dabei nicht als normierende Autoritäten in Erscheinung, sondern sind bemüht um das Erkennen der spezifischen Persönlichkeiten der Schüler, ihre positive Selbstwahrnehmung und die Entwicklung mündiger Persönlichkeiten. Auch sie sind dissident – der Hauslehrer „Justus“ Böth ist unverheiratet und lebt mit den Schülern im Internat, der Aussteiger Robert Utthof wohnt pfeiferauchend in einem Nichtraucherabteil eines ausrangierten Bahnwagons. Das übliche Hierarchieverhältnis wird aufgelöst, wenn die Schüler den Erwachsenen Hilfe bei der Klärung von Problemen und der Wiederentdeckung einer alten Freundschaft geben.
Solidarität, Egalität und Befreiung der Persönlichkeiten sind beispielgebend Leitmotive einer humanistischen Pädagogik, die heute neu gegen Individualisierung, Leistungsdruck und Normierung zur Geltung zu bringen sind.

Freitag, 15. Dezember, 18 Uhr, Raum 05, VMP 8:
Der unschuldige faschistische Unterhaltungsfilm?
Eine inhaltlich ästhetische Analyse der Propaganda in „Die Feuerzangenbowle“.
Vortrag von Thomas Tode mit anschließender Diskussion

In Abwehr progressiver Aufhebung von Entwicklungswidersprüchen (gesteigerte soziale Ungleichheit bei gleichzeitig fortgeschrittenem ökonomischem und kulturellem Reichtum) wird eine reaktionäre Scheinlösung geboten:
Die Wiederherstellung einer verklärten, vermeintlich heilen Welt, in der noch alles in Ordnung gewesen sei (ohne Demokratie, Gleichheitsansprüche, Fremde, Juden…). In Kriegszeiten wird das als Durchhalteparole und zugleich eskapistisches Unterhaltungsangebot verdichtet.
„Die Feuerzangenbowle“ langweilt durch erzählerische und ästhetische weitgehende Spannungslosigkeit. Sie steht damit auch in Gegnerschaft zu der Filmkunst eines Eisensteins oder der Weimarer Republik mit Lichtkontrasten, aussagekräftigen Kameraperspektiven, bewussten Spannungen zwischen Wort und Bild und scharfen Schnitten.
Der Filmemacher und Publizist Thomas Tode wird in seinem Vortrag dem reaktionären Gehalt des Films inhaltlich und ästhetisch nachspüren.
Mit der kritischen Vertiefung der beiden Aspekte in der Diskussion – inhaltliche reaktionäre Krisenverarbeitung und ihre ästhetische Form – lassen sich zugleich, auch mit Rückgriff auf positive historische Exempel, Maßstäbe für eine heutige progressive Krisenüberwindung bilden.
Dabei mag auch die Frage bewegen: Was ist eigentlich schön? Ein widerspruchfreies Idyll oder die dialektische Dynamik einer steten Entwicklung in Widersprüchen?

Montag, 18. Dezember, 18 Uhr, Raum 05, VMP8:
Der Pennäler-Film – Fantasien umgekehrter Hierarchien oder emanzipatorischer Gegenentwurf?
Diskussion mit Eric van der Beek/Andreas Hedrich (angefragt)

Die Roman-Verfilmung „Die Feuerzangenbowle“ gilt als prominenter Repräsentant der Gattung Pennäler-Film. Wie ist deren Beliebtheit zu erklären, auch und gerade unter Erwachsenen (und Studierenden)?
Schule ist mindestens seit der Zeit des preußischen Drills bis heute für Schüler:innen – trotz erfreulicher reformpädagogischer Errungenschaften, auch guten Erinnerungen und Freundschaften – bestimmt von Leistungsdruck, der Hierarchie zwischen Lehrpersonen und Schüler:innen und entsprechend einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen.
Konservative Genre-Filme bieten eine Verarbeitung, indem sie eine von den Ursachen (insbesondere strukturelle Ungleichheit und Militarismus) enthobene Umkehr der Hierarchie anbieten: Nun dürfen endlich mal die Schüler:innen der Lehrer:innen quälen.
Progressive Varianten der Pennäler-Filme stellen einen kritischen sozialen Problembezug her und reflektieren eine emanzipatorische Alternative der egalitären Solidarität.
Gemeinsam mit Lehrenden aus der Medienpädagogik wollen wir die kritische Gegenüberstellung reaktionärer und progressiver Widerspruchbearbeitung vertiefen und so Positionen für fortschrittliche Beantwortung gegenwärtiger sozialer Demütigungserfahrungen ausbauen und entwickeln.

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